Reineke Fuchs - Goethe Johann Wolfgang - Страница 29
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Zerrt' ihn grausam, ich sage nicht mehr — Erbarmlich zu schreien
Und zu heulen begann der Wolf mit offenem Munde.
Reineke zog die Tatze behend aus den klemmenden Zahnen,
Hielt mit beiden den Wolf nun immer fester und fester,
Kneipt' und zog; da heulte der Wolf und schrie so gewaltig
Da? er Blut zu speien begann, es brach ihm vor Schmerzen
Uber und uber der Schwei? durch seine Zotten, er loste
Sich vor Angst. Das freute den Fuchs, nun hofft' er zu siegen,
Hielt ihn immer mit Handen und Zahnen, und gro?e Bedrangnis,
Gro?e Pein kam uber den Wolf, er gab sich verloren.
Blut rann uber sein Haupt, aus seinen Augen, er sturzte
Nieder, betaubt. Es hatte der Fuchs des Goldes die Fulle
Nicht fur diesen Anblick genommen; so hielt er ihn immer
Fest und schleppte den Wolf und zog, da? alle das Elend
Sahen, und kneipt' und druckt' und bi? und klaute den Armen,
Der mit dumpfem Geheul im Staub und eigenen Unrat
Sich mit Zuckungen walzte, mit ungebardigem Wesen.
Seine Freunde jammerten laut, sie baten den Konig:
Aufzunehmen den Kampf, wenn es ihm also beliebte.
Und der Konig versetzte: Sobald Euch allen bedunket,
Allen lieb ist, da? es geschehe, so bin ichs zufrieden.
Und der Konig gebot: die beiden Warter des Kreises,
Lynx und Lupardus, sollten zu beiden Kampfern hineingehn.
Und sie traten darauf in die Schranken und sprachen dem Sieger
Reineke zu: es sei nun genug, es wunsche der Konig,
Aufzunehmen den Kampf, den Zwist geendigt zu sehen.
Er verlangt, so fuhren sie fort: Ihr mogt ihm den Gegner
Uberlassen, das Leben dem Uberwundenen schenken.
Denn, wenn einer getotet in diesem Zweikampf erlage,
Ware es schade auf jeglicher Seite. Ihr habt ja den Vorteil!
Alle sahen es, Klein und Gro?e. Auch fallen die besten
Manner Euch bei, Ihr habt sie fur Euch auf immer gewonnen.
Reineke sprach: Ich werde dafur mich dankbar beweisen!
Gerne folg ich dem Willen des Konigs, und was sich gebuhret,
Tu ich gern; ich habe gesiegt, und Schoners verlang ich
Nichts zu erleben! Es gonne mir nur der Konig das Eine,
Da? ich meine Freunde befrage. Da riefen die Freunde
Reinekens alle: Es dunket uns gut, den Willen des Konigs
Gleich zu erfullen. Sie kamen zu Scharen zum Sieger gelaufen,
Alle Verwandte, der Dachs und der Affe und Otter und Biber.
Seine Freunde waren nun auch der Marder, die Wiesel,
Hermelin und Eichhorn und viele, die ihn befeindet,
Seinen Namen zuvor nicht nennen mochten, sie liefen
Alle zu ihm. Da fanden sich auch, die sonst ihn verklagten,
Seine Verwandte anjetzt, und brachten Weiber und Kinder,
Gro?e, mittlere, kleine, dazu die kleinsten; es tat ihm
Jeglicher schon, sie schmeichelten ihm und konnten nicht enden.
In der Welt gehts immer so zu. Dem Glucklichen sagt man:
Bleibet lange gesund! er findet Freunde die Menge.
Aber wem es ubel gerat, der mag sich gedulden!
Ebenso fand es sich hier. Ein jeglicher wollte der nachste
Neben dem Sieger sich blahn. Die einen floteten, andre
Sangen, bliesen Posaunen und schlugen Pauken dazwischen.
Reinekens Freunde sprachen zu ihm: Erfreut Euch, Ihr habet
Euch und Euer Geschlecht in dieser Stunde gehoben!
Sehr betrubten wir uns, Euch unterliegen zu sehen,
Doch es wandte sich bald, es war ein treffliches Stuckchen.
Reineke sprach: Es ist mit gegluckt, und dankte den Freunden.
Also gingen sie hin mit gro?em Getummel, vor allen
Reineke mit den Wartern des Kreises, und so gelangten
Sie zum Throne des Konigs, da kniete Reineke nieder.
Aufstehn hie? ihn der Konig und sagte vor allen den Herren:
Euren Tag bewahrtet Ihr wohl, Ihr habet mit Ehren
Eure Sache vollfuhrt, deswegen sprech ich Euch ledig;
Alle Strafe hebet sich auf, ich werde daruber
Nachstens sprechen im Rat mit meinen Edlen, sobald nur
Isegrim wieder geheilt ist; fur heute schlie? ich die Sache.
Eurem Rate, gnadiger Herr, versetzte bescheiden
Reineke drauf: ist heilsam zu folgen; Ihr wi?t es am besten.
Als ich hierher kam, klagten so viele, sie logen dem Wolfe,
Meinem machtigen Feinde, zulieb, der wollte mich sturzen,
Hatte mich fast in seiner Gewalt; da riefen die andern:
Kreuzige! klagten mit ihm, nur mich aufs letzte zu bringen,
Ihm gefallig zu sein; denn alle konnten bemerken:
Besser stand er bei Euch als ich, und keiner gedachte
Weder ans Ende, noch wie sich vielleicht die Wahrheit verhalte.
Jenen Hunden vergleich ich sie wohl, die pflegten in Menge
Vor der Kuche zu stehn und hofften, es werde wohl ihrer
Auch der gunstige Koch mit einigen Knochen gedenken.
Einen ihrer Gesellen erblickten die wartenden Hunde,
Der ein Stuck gesottenes Fleisch dem Koche genommen
Und nicht eilig genug zu seinem Ungluck davonsprang.
Denn es bego? ihn der Koch mit hei?em Wasser von hinten
Und verbruht' ihm den Schwanz; doch lie? er die Beute nicht fallen,
Mengte sich unter die andern, sie aber sprachen zusammen:
Seht, wie diesen der Koch vor allen andern begunstigt!
Seht, welch kostliches Stuck er ihm gab! Und jener versetzte:
Wenig begreift ihr davon, ihr lobt und preist mich von vorne,
Wo es euch freilich gefallt, das kostliche Fleisch zu erblicken;
Aber beseht mich von hinten und preist mich glucklich, wofern ihr
Eure Meinung nicht andert. Da sie ihn aber besahen,
War er schrecklich verbrannt, es fielen die Haare herunter,
Und die Haut verschrumpft' ihm am Leib. Ein Grauen befiel sie,
Niemand wollte zur Kuche, sie liefen und lie?en ihn stehen.
Herr, die Gierigen mein ich hiermit. Solange sie machtig
Sind, verlangt sie ein jeder zu seinem Freunde zu haben.
Stundlich sieht man sie, sie tragen das Fleisch in dem Munde.
Wer sich nicht nach ihnen bequemt, der mu? es entgelten,
Loben mu? man sie immer, so ubel sie handeln, und also
Starkt man sie nur in straflicher Tat. So tut es ein jeder,
Der nicht das Ende bedenkt. Doch werden solche Gesellen
Ofters gestraft, und ihre Gewalt nimmt ein trauriges Ende.
Niemand leidet sie mehr, so fallen zur Rechten und Linken
Ihnen die Haare vom Leibe. Das sind die vorigen Freunde,
Gro? und klein, sie fallen nun ab und lassen sie nackend;
So wie samtliche Hunde sogleich den Gesellen verlie?en,
Als sie den Schaden bemerkt und seine geschandete Halfte.
Gnadiger Herr, Ihr werdet verstehn, von Reineken soll man
Nie so reden, es sollen die Freunde sich meiner nicht schamen.
Euer Gnaden dank ich aufs beste, und konnt ich nur immer
Euren Willen erfahren, ich wurd ihn gerne vollbringen.
Viele Worte helfen uns nichts, versetzte der Konig:
Alles hab ich gehort und, was Ihr meinet, verstanden.
Euch, als edlen Baron, Euch will ich im Rate wie vormals
Wiedersehen, ich mach Euch zur Pflicht, zu jeglicher Stunde
Meinen geheimen Rat zu besuchen. So bring ich Euch wieder
Vollig zu Ehren und Macht, und Ihr verdient es, ich hoffe.
Helfet alles zum besten wenden. Ich kann Euch am Hofe
Nicht entbehren, und wenn Ihr die Weisheit mit Tugend verbindet,
So wird niemand uber Euch gehn und scharfer und kluger
Rat und Wege bezeichnen. Ich werde kunftig die Klagen
Uber Euch weiter nicht horen. Und Ihr sollt immer an meiner
Stelle reden und handeln als Kanzler des Reiches. Es sei Euch
Also mein Siegel befohlen, und was Ihr tuet und schreibet,
Bleibe getan und geschrieben. — So hat nun Reineke billig
Sich zu gro?en Gunsten geschwungen, und alles befolgt man,
Was er rat und beschlie?t, zu Frommen oder zu Schaden.
Reineke dankte dem Konig und sprach: Mein edler Gebieter,
Zu viel Ehre tut Ihr mir an, ich will es gedenken,
Wie ich hoffe Verstand zu behalten. Ihr sollt es erfahren.
Wie es dem Wolf indessen erging, vernehmen wir kurzlich.
Uberwunden lag er im Kreise und ubel behandelt,
Weib und Freunde gingen zu ihm und Hinze, der Kater,
Braun, der Bar, und Kind und Gesind und seine Verwandten.
Klagend legten sie ihn auf eine Bahre, man hatte
Wohl mit Heu sie gepolstert, ihn warm zu halten, und trugen
Aus dem Kreis ihn heraus. Man untersuchte die Wunden,
Zahlete sechsundzwanzig; es kamen viele Chirurgen,
Die sogleich ihn verbanden und heilende Tropfen ihm reichten.
Alle Glieder waren ihm lahm. Sie rieben ihm gleichfalls
Kraut ins Ohr, er nieste gewaltig von vornen und hinten.
Und sie sprachen zusammen: Wir wollen ihn salben und baden;
Trosteten solchergestalt des Wolfes traurige Sippschaft,
Legten ihn sorglich zu Bette, da schlief er, aber nicht lange,
Wachte verworren und kummerte sich, die Schande, die Schmerzen
Setzten ihm zu, er jammerte laut und schien zu verzweifeln;
Sorglich wartete Gieremund sein, mit traurigem Mute,
Dachte den gro?en Verlust. Mit mannigfaltigen Schmerzen
Stand sie, bedauerte sich und ihre Kinder und Freunde,
Sah den leidenden Mann, er konnt es niemals verwinden,
Raste vor Schmerz, der Schmerz war gro? und traurig die Folgen.
Reineken aber behagte das wohl, er schwatzte vergnuglich
Seinen Freunden was vor und horte sich preisen und loben.
Hohen Mutes schied er von dannen. Der gnadige Konig
Sandte Geleite mit ihm und sagte freundlich zum Abschied:
Kommt bald wieder! Da kniete der Fuchs am Throne zur Erden,
Sprach: Ich dank Euch von Herzen und meiner gnadigen Frauen,
Eurem Rate, den Herren zusamt. Es spare, mein Konig,
Gott zu vielen Ehren Euch auf, und was Ihr begehret,
Tu ich gern, ich lieb Euch gewi? und bin es Euch schuldig.
Jetzo, wenn Ihrs vergonnt, gedenk ich nach Hause zu reisen,
Meine Frau und Kinder zu sehn, sie warten und trauren.
Reiset nur hin, versetzte der Konig: und furchtet nichts weiter.
Also machte sich Reineke fort, vor allen begunstigt.
Manche seines Gelichters verstehen dieselbigen Kunste,
Rote Barte tragen nicht alle; doch sind sie geborgen.
Reineke zog mit seinem Geschlecht, mit vierzig Verwandten,
Stolz von Hofe, sie waren geehrt und freuten sich dessen.
Als ein Herr trat Reineke vor, es folgten die andern.
Frohen Mutes erzeigt' er sich da, es war ihm der Wedel
Breit geworden, er hatte die Gunst des Konigs gefunden.
War nun wieder im Rat und dachte, wie er es nutzte.
Wen ich liebe, dem frommts, und meine Freunde genie?ens,
Also dacht er: die Weisheit ist mehr als Gold zu verehren.
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