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Die geheime Reise der Mariposa - Michaelis Antonia - Страница 28


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Sie arbeiteten wie die Irrsinnigen, doch jeden Eimer Wasser, den sie herausschopften, spuckte der Pazifik sofort zuruck.

Es hat keinen Zweck, dachte Jose. Wir werden sinken. Er blickte auf – und da sah er das andere Boot.

Der kleine Segler schoss durch die Wellen direkt auf sie zu. Er war jetzt so nah, dass man beinahe den Namen an der Bordwand lesen konnte, dunkelblaue Lettern auf wei?em Grund. Der Name begann mit M, und die Buchstaben, die auf das M folgten, sahen dem Namen der Mariposa erstaunlich ahnlich … Wenn das Schiff weiter Kurs hielt, wurde es die Mariposa in voller Fahrt rammen.

Jose sah, wie sich der Mast unter dem Gewicht des Windes bog. Er konnte sogar den Mann auf der Reling sehen, der sich weit, weit hinauslehnte, so nah war das Schiff schon. Der Sturm spie eine weitere Boe aus, starker noch als die ubrigen; der Mast bog sich noch starker durch, beinahe konnte man das Achzen und Stohnen des Holzes horen – und dann brach er. Brach mittendurch, riss das Segel mit sich herunter und begrub das Schiff unter sich. Eine gro?e Welle schwappte daruber und schien das Boot zu verschlingen. Jose hielt nach einem Kopf auf dem Wasser Ausschau. Da war keiner. Er merkte, dass er sich bekreuzigte.

Irgendwo durch Regen und Gischt naherte sich die Roosevelt. Und – bildete Jose sich das ein, oder war da jetzt noch ein drittes Schiff? Hier stehen wir, dachte er, in der sinkenden Mariposa, verfolgt von einer ganzen Flotte aus Schiffen, und es nutzt alles nichts, denn wir werden alle zusammen sinken. Immerhin konnen samtliche Tiere an Bord schwimmen. Bis auf den verletzten Pinguin.

In diesem Moment sprang der Motor an. Und auf einmal bewegte sich die Mariposa vorwarts. Jetzt wich sie der Gewalt der Wellen aus.

»Schopfen!«, brullte Casaflora. »Weiterschopfen!«

Jose sah die Person neben sich an. Sie lachelte. Dann begannen sie die Mariposa gemeinsam leer zu schopfen. Und schlie?lich sa?en sie nebeneinander im Regen, schweigend, wahrend Casaflora steuerte. Jose hielt seine Mauser auf dem Scho? und auch die Mauser schwieg. Solange Casaflora keine dumme Bewegung machte.

Irgendwann endete der Sturm. Irgendwann endete der Regen. Irgendwann endete die Nacht. Und da musste auch das Schweigen enden.

Jose seufzte. »Wie hei?t du wirklich?«, fragte er.

»Marit«, sagte sie und sah auf ihre Fu?e.

»Hattest du das nicht gleich sagen konnen?«, knurrte Jose. » Maritist viel leichter auszusprechen als Jonathan

Da hob sie ihren Blick und Erleichterung lag darin. »Mein Onkel, wei?t du, er fand, es ware sicherer als Junge … Er hat den Pass besorgt. Frag mich nicht, woher er ihn hatte. Vielleicht gab es nie einen Jonathan Smith.«

»Aber du bist in London geboren?«

Sie nickte. »Nur an einem anderen Tag.«

Jose horte, wie Casaflora sich rausperte, und er sah Marit zusammenzucken.

»Ich wollte nur etwas richtigstellen«, sagte Casaflora. »Der Kurs, den ich steuere …«

Jose sah auf den Kompass. »Wir fahren nicht mehr nach Isabela«, sagte er. »Wir haben gedreht.«

Casaflora nickte. »Wir fahren nach Marchena.«

»Und weiter, zur Isla Maldita«, erganzte Jose. Er streichelte die Mauser.

»Du kleiner Dummkopf«, sagte Casaflora. »Nicht, weil du ein altes rostiges Gewehr auf dem Scho? hast. Weil wir die anderen abhangen mussen. Ich habe drei gezahlt. Drei Schiffe, die uns folgen. Jetzt, nach dem Sturm, sind es nur noch zwei. Zwei zu viel. Wir haben sie verloren, und sie werden glauben, wir wurden weiter nach Isabela segeln. Ich begleite euch also zu eurer verfluchten Insel. Es ist nicht schlecht, eine Weile zu verschwinden. Spater … spater laufen wir Isabela an.«

»Das alte Gewehr ist nicht rostig«, sagte Jose. »Und ich bin kein kleiner Dummkopf.«

Die Mauser sprang in seine Hande wie von selbst und ein Schuss zerriss den Morgen. Die Kugel blieb in der Reling knapp neben Casaflora stecken. Jose sah Marit zusammenzucken.

»Wenn Sie noch einmal Hand an Jo… Marit legen, spricht mein Gewehr mit Ihnen«, sagte Jose, und der Stolz in seinen Worten fuhlte sich warm und richtig an. »Es spricht die Sprache der Inseln, eine einfache und klare Sprache. Und es versteht keinen Spa?.«

Die Hand des Alten, die das Steuerruder hielt, zitterte jetzt, kaum merklich.

»Kummern wir uns darum, das Gro?fall zu reparieren«, sagte er, »und endlich Segel zu setzen.«

Der Wind trug die Mariposa stetig nach Nordosten, und jetzt, da Casaflora sich um Segel und Steuer kummerte, kamen sie rascher voran. Er kannte die Mariposa wie sich selbst, sagte er. In der Abendflaute angelten sie, Oskars Flugel heilte, und Kurt der Albatros startete jeden Tag mehrere vergebliche Versuche, von Deck aus loszufliegen. Manchmal sah es aus, als lachten die anderen Tiere uber ihn.

Alles hatte heiter und hell und sonnig sein konnen wie die Farbe der Decksplanken, honiggolden. Aber die Luft an Deck war gespannt wie vor einem weiteren Sturm. Es kam Marit vor, als konnte sie es darin knistern horen. Alles war unendlich kompliziert geworden. Jose sprach kaum noch mit ihr. Es war, als schamte er sich plotzlich. Und dann waren da die Blicke des Alten. Sie fuhlte sie auf der Haut unter ihren Kleidern und die Rote stieg ihr ins Gesicht.

Jose hatte versprochen, sie nicht allein zu lassen. Er teilte die Wachen so ein, dass er stets wach war, wenn Marit schlief, und sie war ihm dankbar dafur. Aber gleichzeitig hatte sie das Gefuhl, eine Burde zu sein. Eine Last.

Wo war Jonathan, den Jose so dringend gebraucht hatte? War er in jener sturmischen Nacht gestorben? Marit ertappte sich dabei, wie sie um ihn trauerte, wenn sie allein unter Deck lag und zu schlafen versuchte. Er war gestorben wie alle anderen auch. Wie Papa und Mama und Julia, an die ihre Traume sie standig erinnerten. Sie schloss die Augen und stand im Hinterhof in Hamburg.

»Im Holzschuppen?«, horte sie sich fragen. »Sicher?«

»Ja«, sagte Julia und zog ungeduldig an Marits Hand. »Ich war mit dir zusammen Holz holen, wei?t du nicht mehr? Und da hab ich ihn liegen lassen.«

»Das war vor zwei Monaten!«, sagte Marit. »Als es noch kalt war! Seitdem waren alle moglichen Leute im Holzschuppen. Meinst du nicht, jemand hatte ihn gefunden?«

Julia zuckte die Schultern. »Jetzt heizt doch keiner mehr seinen Ofen ein«, sagte sie. »Niemand geht in den Holzschuppen. Vielleicht waren wir damals die Letzten. Komm. Mein Bar friert. Es ist zu windig heute.«

Marit seufzte. Dass Julias Teddybar einen Strickpullover brauchte, war ja schon kompliziert genug. Dass dieser Strickpullover im Holzschuppen vergessen worden war und gerade jetzt dringend gesucht werden musste, war etwas zu viel. Aber als reichte das nicht, war auch noch ihr Schlussel zum Schuppen verschwunden.

Sie klingelten zusammen bei Frau Adam, weil Julia sich angeblich allein nicht traute.

Frau Adam schuttelte den Kopf. »Nee«, sagte sie. »Den Schuppenschlussel? Den kann ich auch seit ’ner Zeit nicht finden. Meinst du, kleine Julia, dein Teddybar kann vielleicht seinen Pullover gar nicht leiden und hat deshalb alle Schlussel versteckt?«

Julia hob ihren Baren hoch und musterte ihn misstrauisch.

»Wir fragen den alten Herrn Meier«, entschied sie.

Aber auch der alte Herr Meier vermisste seinen Schuppenschlussel.

»Ist ein Gluck, was«, sagte er, »dass man zurzeit kein Holz zum Heizen braucht. So ein mildes Fruhjahr …«

»Vielleicht kann man durchs Schuppenfenster reinklettern«, meinte Julia.

Marit seufzte. Sie wollte Julia gerade zum Fenster hochheben, damit sie nachsehen konnte, ob es sich offnen lie?, da kam Mama durch den Hinterhof gerannt.

»Was wird das?«, rief sie au?er Atem. »Ich gucke oben aus dem Fenster und frage mich, was meine Kinder da tun.«

»Der Pullover!«, rief Julia anklagend. »Von meinem Baren! Der liegt im Schuppen!«

»Unsinn«, sagte Mama. »Er liegt oben in unserer Wohnung schon ordentlich im Schrank.«

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