Admiral Bolithos Erbe: Ein Handstreich in der Biskaya - Kent Alexander - Страница 40
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Da schlug mit Krach und Donner eine Lawine aus Eisen in den Rumpf. Bolitho blieb vor Schmerz die Luft weg, als er hochgerissen wurde, so weit es seine Fesseln und Ketten zulie?en. Halb betaubt sah er, da? sich das Orlopdeck mit Rauch und Larm fullte.
Der Rumpf erbebte in allen Verbanden, als oben Stengen und Spieren zu Bruch gingen und aufs Deck krachten. Dann ein dumpfer Schlag, als sei eine Kanone umgesturzt. Stimmen uberbrullten das Getose, verwandelten sich aber in jammerliche Schmerzens-schreie, als eine zweite Breitseite — nur wenige Minuten nach der ersten — in den Rumpf krachte.
Im Rauch nur schlecht auszumachen, rutschten und hangelten sich Gestalten den Niedergang herunter; andere wurden rucksichtslos in den Lichtkreis der Laternen gezerrt. Die Arzthelfer erwachten zu fieberhafter Tatigkeit, als hatte der Blutgeruch sie aus ihre Trance gerissen.
Wieder legte sich das Deck ruckartig uber: Die Franzosen erwiderten das Feuer. Noch einmal schlugen Kugeln ein, diesmal tiefer im Rumpf, und bald daraufhorte Bolitho das Quietschen der ersten Lenzpumpe.
Uber dem Operationstisch hob und senkte sich ruckartig der Schatten des Chirurgen, das Lampenlicht reflektierte kurz von einer Messerschneide, dann von einem Sageblatt. Unter seinen Handen wand sich eine nackte Gestalt, wurde aber von den Arzthelfern mit Aufbietung aller Krafte niedergehalten.
Dann sturzte ein Mann aus dem Kreis um den Tisch und warf den amputierten Arm in einen abseits stehenden Eimer, als sei er ein Stuck Abfall.
Wieder wurden schluchzende, schreiende Manner mit Gewalt ins Lazarett gezerrt oder getragen. Bolitho verlor jedes Zeitgefuhl, selbst das fruhe Morgenlicht verbla?te im Rauch und Dampf der Schlacht.
Die Kanonen schossen jetzt weniger systematisch, die Detonationen wirkten jedoch noch lauter; Bolitho folgerte daraus, da? der Gegner sehr nahe gekommen war und das Krachen zwischen den beiden Bordwanden widerhallte. Das Gefecht hatte eskaliert; bald mu?te das Ende kommen.
Gebannt, mit schreckgeweiteten Augen, starrte Browne zu dem wie wahnsinnig arbeitenden Arzt hinuber. Er war kein junger Mann mehr, bewegte sich aber mit unglaublicher Energie. Er schnitt, sagte, nahte und winkte nach dem nachsten Verwundeten mit solcher Hast, da? ihn nicht einmal der Einschlag feindlicher Kanonenkugeln ablenken konnte. Seine Unterarme und die Schurze glanzten grellrot. Es war ein Bild des Grauens.
Gepre?t sagte Browne:»Allmachtiger Vater, gib, da? ich an Deck sterbe, wenn es soweit ist, und nicht in diesem Schlachthaus!»
Ein Chor warnender Schreie, dann atemberaubende Stille — und schlie?lich ein scheinbar endloser Donnerschlag: Ein ganzer Mast kam von oben und sturzte aufs Deck. Das Schiff bockte, als wolle es die tote Last abschutteln; Bolitho horte Axte auf das Gewirr der Wanten, Stage und Spieren einbauen, dann das scharfere Knattern von Gewehrfeuer und das Klaffen der Drehbassen.
«Nahkampf!«stie? er hervor.»Sie mussen gleich kommen.»
Wieder schrillten Schreie durch das Inferno, weitere Wrackteile polterten oben aufs Hauptdeck, und Bolitho wurde vom Scheuern und Klappern der gebrochenen Takelage an die letzten Augenblicke der Styx erinnert.
Wild um sich schlagend, fuhr Neale auf seiner Koje hoch und schrie:»Her zu mir, Leute! Haltet euch tapfer!«Blindlings holte er nach dem herbeieilenden Allday aus, aber der Schlag war so schwach wie der eines Kindes.
Allday knurrte:»Ich bringe Sie jetzt hier raus, Kapt'n. Also seien Sie ein artiger Junge.»
Im Zwielicht beugte er sich uber zwei verwundete Seeleute, die von den Arztgehilfen bisher ubersehen worden waren, und rollte den einen auf den Rucken. Aus der Kehle des Franzosen ragte ein Holzsplitter, so gro? wie ein Seitengewehr, und der Mann starrte in qualvoller, stummer Agonie zu Allday empor. Mit rasselndem Atem sah er zu, als dieser ihm das Entermesser unter dem Gurtel hervorzog und es an sich nahm. Sein Kamerad war schon tot und au?erdem unbewaffnet. Allday wandte sich von ihm ab und kehrte zu Bolitho zuruck; er begann, mit der Spitze des Entermessers das Holz zu bearbeiten, in dem die Ringbolzen von Bolithos Fesseln sa?en.
Begleitet von verwirrten und erschreckten Rufen, kamen weitere Verwundete herunter, aber diesmal wurden sie vorsichtiger behandelt. Bolitho erkannte einen abgewinkelten Arm, einen gro?er werdenden, dunkel glanzenden Fleck auf der Brust eines Mannes, dem ein schweres Kaliber zwischen die Rippen gefahren war, und er sah auch die Goldepauletten des Kommandanten funkeln.
Hinter ihm kletterten zwei Soldaten die Leiter herunter; Bolitho identifizierte ihre Uniformen: Marineinfanterie.
Sie hielten sich fern von den anderen, standen nur da, in den Fausten die Musketen mit aufgepflanztem Bajonett, und starrten wortlos zu den Gefangenen hinuber. An ihrem Auftrag konnte kein Zweifel bestehen.
Der Arzt schnitt dem franzosischen Kapitan das Hemd vom Leibe, trat dann aber zuruck und winkte seine Helfer herbei.
«Il est mort.»
Die leichter Verwundeten reckten die Halse und spahten durch den Qualm zum Operationstisch, offenbar ohne zu begreifen. Das Schie?en an Deck lie? nach, als sei auch den Mannern dort oben der Schreck uber den Tod des Kommandanten in die Glieder gefahren.
Und dann kam der dumpfe Aufprall und das mahlende Scheuern, mit dem das fremde Schiff sich knirschend langsseit legte.
Das Deck unter Bolitho krangte stark; wahrscheinlich hatte der andere Kommandant es so eingerichtet, da? der Wind die ve rkrup-pelte Ceres gegen ihn druckte. Jetzt verhakten sich Riggs und Spieren in einer letzten, unlosbaren Umarmung.
«Hurra! Hurra!«Wildes, fast nicht mehr menschliches Geschrei oben.»Manner von Ganymede — mir nach!»
Als Antwort schlug klirrend Stahl auf Stahl, krachten vereinzelte Musketen- und Pistolenschusse zum Getrappel vieler Fu?e.
Fur die beiden Marinesoldaten mu?te das ein Signal gewesen sein. Der Korporal, Bolitho am nachsten, hob die Muskete, das aufgepflanzte Bajonett funkelte im Licht, als er auf Neales Brust anlegte.
«Zu spat, Kumpel!«Allday sprang aus dem Schatten, das gro?e Entermesser schon zum Schlag erhoben, und hieb es dem Soldaten quer ins Gesicht. Als der Mann fiel und sich in seinem Blut wand, griff Allday den zweiten Soldaten an. Auch dieser hatte angelegt, schien aber vor Schreck uber das Schicksal seines Kameraden erstarrt zu sein.
«Hat dich verlassen, dein Mut, wie?«brullte Allday. Mit dem ersten Schlag spaltete er ihm den Brustriemen; die Schneide drang so tief ein, da? der Soldat vornuber zusammenklappte; seine Schreie verstummten erst, als das Entermesser beim zweitenmal auf seinen exponierten Nacken niederfuhr.
Mit einem Wurgen in der Kehle hatte Browne zugesehen. Uberall um sie her gellten Schreie, Fluche und Schmerzgeheul. Und immer wieder das stahlerne Klirren der Sabel, obwohl die Kampfenden schon auf so blutbesudelten Planken standen, da? ihnen die Fu?e wegrutschten.
Allday klammerte sich mit einer Hand an Neales Koje und parierte mit der anderen jeden Versuch, dem Kranken nahe zu kommen. Eine Musketenkugel schlug nur zollbreit neben Bolithos Schulter in die Bordwand, und einmal wirbelte Alldays Schneide schutzend wie ein Schild uber Bolithos Kopf durch die Luft.
Ein Mann sturzte leblos den Niedergang herab, ein anderer schrie gellend, bevor ein Sabelhieb den Ton so abrupt zum Verstummen brachte, als sei eine Tur zugeschlagen worden.
Plotzlich stand ein britischer Marinesoldat am Fu? der Leiter, die wei?en Breeches blutbeschmiert, die Augen unter dem wirren Haar vor Wahnwitz funkelnd. Er hielt die Muskete sto?bereit, das besudelte Bajonett zitterte.
Als er Allday mit seinem blanken Entermesser entdeckte, schrie er wild:»Hierher, Kameraden, hier leben noch ein paar von den Hunden!«Dann holte er aus.
Schulter an Schulter hatte Allday schon manchesmal mit den britischen Marinesoldaten gefochten. Aber noch nie hatte er ihre Angriffswut auf der anderen Seite erlebt.
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