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Nahkampf der Giganten: Flaggkapitan Bolitho bei der Blockade Frankreichs - Kent Alexander - Страница 3


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Bolitho vernahm ein erschrecktes Stohnen, wandte den Kopf und sah Midshipman Seton auf die turmhohen Masten mit den festgemachten Segeln starren. Angst fullte sein Gesicht, seine Hand war verkrampft wie eine Vogelklaue, als er nach dem Dollbord der Gig fa?te. Ruhig fragte Bolitho:»Wie alt sind Sie, Mr. Seton?»

Der Junge ri? die Augen von dem Schiff los und murmelte:»S… Sechzehn, Sir. «Ernsthaft nickte Bolitho.»Nun, ich war ungefahr ebenso alt, da kam ich auf ein Schiff, das war ziemlich genauso wie dieses hier. Und im selben Jahr wurde die Hyperion gebaut. «Ein knappes Lacheln.»Wie Sie sehen, Mr. Seton, leben wir alle beide noch.»

Er sah an dem bleichen Gesicht des Midshipman, wie die Gemuts- bewegungen einander jagten, und war froh, nicht erwahnt zu haben, da? es sich damals um sein zweites Schiff gehandelt hatte. Denn Bolitho war schon seit seinem zwolften Jahr zur See gefahren. Warum mochte der Vater Seton wohl so lange gewartet haben, bis er seinen Sohn zur Marine schickte?

Er reckte sich hoch. Das Boot scho? zur Fallreepspforte, eine Stimme ertonte:»Boot ahoi?«und Allday rief durch die hohlen Hande: «Hyperion!»

Nun bestand kein Zweifel mehr, falls dem je so gewesen war. Jeder einzelne Mann an Bord wu?te nun, da? der straffe Offizier mit dem goldbetre?ten Hut sein neuer Kommandant war und nachst Gott der absolute Herrscher uber alle auf diesem Schiff. Alle waren sie in seine Hand gegeben — er konnte jedermann auspeitschen oder hangen lassen, ebensogut aber auch Leistungen belohnen und Schwachen anprangern.

Nach dem Kommando» Riemen hoch!«fa?te der Bootsmann mit dem Haken in die Gro?rusten, und Bolitho brauchte seine ganze Selbstdisziplin, um reglos im Heck sitzenzubleiben. Seltsamerweise war es der seekranke Midshipman, der den Zauber brach. Er machte Miene, an der Bordwand hochzuklettern; aber Allday knurrte:»Noch nicht, junger Herr!«, und zog ihn auf seinen Sitz zuruck.»Der Ranghochste geht zuletzt ins Boot, aber zuerst hinaus, kapiert?»

Bolitho starrte auf die beiden und verga? sie sofort. Er druckte das Gehange fest an den Schenkel, denn einmal hatte er erlebt, wie ein neuer Kapitan uber seinen Degen gestolpert und rucklings ins Boot gefallen war. Steifbeinig kletterte er das Fallreep hoch und trat durch die geschnitzte und vergoldete Schiffspforte.

Als er den Hut luftete, war er fast uberwaltigt von der unmittelbaren Reaktion, die von allen Seiten, von unten und von oben, zu kommen schien. Die Ehrenbezeugung, die mit den schrillen Querfloten begonnen hatte, als sein Gesicht uber der Schanz erschien, war in ein wildes Crescendo ausgebrochen, in dem er zuerst nur mit Muhe die Einzelheiten unterscheiden konnte: die Trommeln und Pfeifen des kleinen Spielmannszuges der Marine-Infanterie, das Klirren und Klappern der prasentierten Musketen und das Schwirren der gezogenen Degen vereinten sich zur Gerauschkulisse der Begru?ungszeremonie.

Irgendwie beengten ihn die scharlachroten Reihen der Seesoldaten, das Blau und Wei? der versammelten Schiffsoffiziere, die dichtgedrangten, bezopften Kopfe der Matrosen, die aus dem ganzen Schiff eiligst zusammen- und vom Dienst weggerufen worden waren.

Er hatte eigentlich darauf vorbereitet sein mussen, aber da er so lange auf Fregatten Dienst getan hatte, verwirrten ihn diese plotzlichen Menschenmassen auf einem Schiff. Doch als der erste Schreck vorbei und sein Blick rasch uber die Reihen der blanken Geschutze, die frischgescheuerten Planken, das dichte Netzwerk des Riggs fuhr, wurde ihm — und vielleicht zum ersten Male — der ganze Umfang seiner neuen Verantwortung klar.

Bis zu diesem Augenblick hatte er die Hyperion nur als neue Umgebung betrachtet, in der es sich etwas anders leben wurde als bisher. Jetzt, als die Spielleute plotzlich verstummten und ein gro?er, schlanker, ernsthaft blickender Leutnant ihm entgegentrat, begriff er, was es mit diesem Kommando wirklich auf sich hatte. Diese Erkenntnis uberraschte ihn und machte ihn zugleich demutig.

Der plumpe, einhundertachtzig Fu?* lange Rumpf der Hyperion umschlo? eine vollig neue Welt. Eine merkwurdige, festumgrenzte

* = ca. 60 m

Existenz, in der einige sechshundert Manner — Offiziere, Matrosen und Seesoldaten — zusammenlebten, arbeiteten und, wenn es sein mu?te, starben, jedoch durch Dienstrang und Disziplin streng in einzelne Gruppen geschieden waren. Es war kaum verwunderlich, da? manche Kommandanten von Linienschiffen dem Bewu?tsein ihrer Macht und Bedeutung erlagen.

Der schlanke Offizier beobachtete ihn gespannt, doch mit dienstlich ausdrucksloser Miene. Lieutenant Quarme, Sir«, stellte er sich vor.»Ich bin der Dienstalteste an Bord.»

Bolitho nickte.»Danke sehr, Mr. Quarme. «Er fa?te in die Brusttasche und holte seine Bestallung hervor. Durch den Larm und die plotzliche Erregung uberkam ihn eine Schwache, so da? er nach all dem Warten und Bangen der letzten Wochen auf einmal das Bedurfnis nach Ruhe und Alleinsein in seinem neuen Quartier empfand.

Dieser Quarme sieht wie ein tuchtiger Offizier aus, dachte er. Plotzlich stand ihm Herrick vor Augen, sein ehemaliger Erster Leutnant auf der Phalarope und der Tempest, und von ganzem Herzen wunschte er, Herrick und nicht Quarme stunde jetzt vor ihm, um ihn zu begru?en.

Quarme schritt langsam die Reihen der Offiziere ab, Namen murmelnd, hier und da dienstliche Erlauterungen gebend. Bolithos Miene blieb dabei vollig unbewegt. Es war noch viel zu fruh fur Lacheln und naheres Kennenlernen. Die wirklichen Charaktere wurden erst spater hinter diesen starren, respektvollen Gesichtern hervortreten. Es scheint eine ziemlich durchschnittliche Kollektion zu sein, dachte er vage — aber was fur eine Menge Leute gegen die paar Offiziere an Bord einer Fregatte! Er schritt die Reihe entlang, an den Leutnants und hoheren Deckoffizieren vorbei bis zu den in faszinierter Spannung wartenden Midshipmen. Er dachte an den jungen Seton — was mochte der wohl von diesem ehrfurchtgebietenden Schauspiel halten? Wahrscheinlich war er vollig erschuttert. Zwei Offiziere der Marine-Infanterie standen stramm vor den Reihen der Manner in Scharlachrot mit dem wei?en, uber Kreuz geschnallten Lederzeug und den silbernen Knopfen; und im zweiten Glied standen die niederen Deckoffiziere, die Handwerker, von denen es abhing, ob ein Schiff lebte oder starb: Bootsmann, Zimmermann, Kufer und so weiter.

Bolitho fuhlte den warmen Sonnenschein auf der Wange und entfaltete rasch seine Papiere. Die Leute druckten sich naher heran, um besser horen und sehen zu konnen; manche schlugen die Augen nieder, als er sie ansah, als ob sie Angst hatten, schon jetzt aufzufallen.

Mit klarer Stimme und unbewegt verlas Bolitho seine Bestallung, dieses Schreiben an Richard Bolitho, Esqu. das von Admiral Samuel Hood unterzeichnet war und den Befehl enthielt, das Kommando uber Seiner Britannischen Majestat Schiff Hyperion zu ubernehmen. Die meisten Manner hatten derlei Bestallungen schon ofter gehort, doch als er die knappen, dienstlich-formellen Satze verlas, war ihm die tiefe Stille bewu?t, die ihn umgab. Als hielte das ganze Schiff den Atem an.

Bolitho rollte seine Papiere zusammen und steckte sie wieder in die Brusttasche. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Allday sich langsam zum Achterdecksniedergang hinschob. Nach alter Gewohnheit hielt er sich auch hier den Ruckzug vor lastigen Formalitaten und Unbequemlichkeiten offen.

Trotz der uber die Finknetze scheinenden Sonne fuhlte sich Bo-litho leicht schwindlig, und ein Frosteln uberlief ihn unvermittelt. Doch er bi? die Zahne zusammen und zwang sich, vollig reglos stehenzubleiben. Dies war ein kritischer Moment. Der Eindruck, den er jetzt auf die Manner machte, konnte eines Tages ihr Schicksal entscheiden — und seines auch. Scheu?lich, wenn er jetzt einen Fieberanfall bekame und alle Zeugen seiner demutigenden Schwache wurden! Uberraschenderweise gab ihm diese Vorstellung seine innere und au?ere Festigkeit zuruck.

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