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Faust - Goethe Johann Wolfgang - Страница 21


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DER NACHBARIN HAUS

MARTHE (allein):

Gott verzeih's meinem lieben Mann,

Er hat an mir nicht wohl getan!

Geht da stracks in die Welt hinein

Und läßt mich auf dem Stroh allein.

Tät ihn doch wahrlich nicht betrüben,

Tät ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben.

(Sie weint.)

Vielleicht ist er gar tot! — O Pein! —

Hätt ich nur einen Totenschein!

Margarete kommt.

MARGARETE:

Frau Marthe!

MARTHE:

Gretelchen, was soll's?

MARGARETE:

Fast sinken mir die Kniee nieder!

Da find ich so ein Kästchen wieder

In meinem Schrein, von Ebenholz,

Und Sachen herrlich ganz und gar,

Weit reicher, als das erste war.

MARTHE:

Das muß Sie nicht der Mutter sagen;

Tät's wieder gleich zur Beichte tragen.

MARGARETE:

Ach seh Sie nur! ach schau Sie nur!

MARTHE (putzt sie auf):

O du glücksel'ge Kreatur!

MARGARETE:

Darf mich, leider, nicht auf der Gassen

Noch in der Kirche mit sehen lassen.

MARTHE:

Komm du nur oft zu mir herüber,

Und leg den Schmuck hier heimlich an;

Spazier ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber,

Wir haben unsre Freude dran;

Und dann gibt's einen Anlaß, gibt's ein Fest,

Wo man's so nach und nach den Leuten sehen läßt.

Ein Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr;

Die Mutter sieht's wohl nicht, man macht ihr auch was vor.

MARGARETE:

Wer konnte nur die beiden Kästchen bringen?

Es geht nicht zu mit rechten Dingen!

(Es klopft.)

Ach Gott! mag das meine Mutter sein?

MARTHE (durchs Vorhängel guckend):

Es ist ein fremder Herr — Herein!

Mephistopheles tritt auf.

MEPHISTOPHELES:

Bin so frei, grad hereinzutreten,

Muß bei den Frauen Verzeihn erbeten.

(Tritt ehrerbietig vor Margareten zurück.)

Wollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen!

MARTHE:

Ich bin's, was hat der Herr zu sagen?

MEPHISTOPHELES (leise zu ihr):

Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug;

Sie hat da gar vornehmen Besuch.

Verzeiht die Freiheit, die ich genommen,

Will Nachmittage wiederkommen.

MARTHE (lacht):

Denk, Kind, um alles in der Welt!

Der Herr dich für ein Fräulein hält.

MARGARETE:

Ich bin ein armes junges Blut;

Ach Gott! der Herr ist gar zu gut:

Schmuck und Geschmeide sind nicht mein.

MEPHISTOPHELES:

Ach, es ist nicht der Schmuck allein;

Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf!

Wie freut mich's, daß ich bleiben darf.

MARTHE:

Was bringt Er denn? Verlange sehr —

MEPHISTOPHELES:

Ich wollt, ich hätt eine frohere Mär! —

Ich hoffe, Sie läßt mich's drum nicht büßen:

Ihr Mann ist tot und läßt Sie grüßen.

MARTHE:

Ist tot? das treue Herz! O weh!

Mein Mann ist tot! Ach ich vergeh!

MARGARETE:

Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht!

MEPHISTOPHELES:

So hört die traurige Geschicht!

MARGARETE:

Ich möchte drum mein' Tag' nicht lieben,

Würde mich Verlust zu Tode betrüben.

MEPHISTOPHELES:

Freud muß Leid, Leid muß Freude haben.

MARTHE:

Erzählt mir seines Lebens Schluß!

MEPHISTOPHELES:

Er liegt in Padua begraben

Beim heiligen Antonius

An einer wohlgeweihten Stätte

Zum ewig kühlen Ruhebette.

MARTHE:

Habt Ihr sonst nichts an mich zu bringen?

MEPHISTOPHELES:

Ja, eine Bitte, groß und schwer:

Laß Sie doch ja für ihn dreihundert Messen singen!

Im übrigen sind meine Taschen leer.

MARTHE:

Was! nicht ein Schaustück? kein Geschmeid?

Was jeder Handwerksbursch im Grund des Säckels spart,

Zum Angedenken aufbewahrt,

Und lieber hungert, lieber bettelt!

MEPHISTOPHELES:

Madam, es tut mir herzlich leid;

Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.

Auch er bereute seine Fehler sehr,

Ja, und bejammerte sein Unglück noch viel mehr.

MARGARETE:

Ach! daß die Menschen so unglücklich sind!

Gewiß, ich will für ihn manch Requiem noch beten.

MEPHISTOPHELES:

Ihr wäret wert, gleich in die Eh zu treten:

Ihr seid ein liebenswürdig Kind.

MARGARETE:

Ach nein, das geht jetzt noch nicht an.

MEPHISTOPHELES:

Ist's nicht ein Mann, sei's derweil ein Galan.

's ist eine der größten Himmelsgaben,

So ein lieb Ding im Arm zu haben.

MARGARETE:

Das ist des Landes nicht der Brauch.

MEPHISTOPHELES:

Brauch oder nicht! Es gibt sich auch.

MARTHE:

Erzählt mir doch!

MEPHISTOPHELES:

Ich stand an seinem Sterbebette, Es war was besser als von Mist,

Von halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ

Und fand, daß er weit mehr noch auf der Zeche hätte.

«Wie«, rief er,»muß ich mich von Grund aus hassen,

So mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen!

Ach, die Erinnrung tötet mich

Vergäb sie mir nur noch in diesem Leben!»

MARTHE (weinend):

Der gute Mann! ich hab ihm längst vergeben.

MEPHISTOPHELES:

«Allein, weiß Gott! sie war mehr schuld als ich.»

MARTHE:

Das lügt er! Was! am Rand des Grabs zu lügen!

MEPHISTOPHELES:

Er fabelte gewiß in letzten Zügen,

Wenn ich nur halb ein Kenner bin.

«Ich hatte«, sprach er,»nicht zum Zeitvertreib zu gaffen

Erst Kinder, und dann Brot für sie zu schaffen,

Und Brot im allerweitsten Sinn,

Und konnte nicht einmal mein Teil in Frieden essen.»

MARTHE:

Hat er so aller Treu, so aller Lieb vergessen,

Der Plackerei bei Tag und Nacht!

MEPHISTOPHELES:

Nicht doch, er hat Euch herzlich dran gedacht.

Er sprach:»Als ich nun weg von Malta ging

Da betet ich für Frau und Kinder brünstig;

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